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Nicht auflegen!

Es wurde schon Regie-Altmeister Alfred Hitchcock zugeschrieben, mal einen Film auf engstem Raum drehen zu wollen, wie beispielsweise - einer Telefonzelle. Leider fiel ihm wohl so recht kein Grund dafür ein, wie man das ganze in eine Story packen könnte, die spannend auf Spielfilmlänge bleibt. Irgendwann in den 90ern kam Screenwriter Larry Cohen dann der Gedanke eines Scharfschützen in den Sinn, ein Script wurde innerhalb eines Monats zusammengeschustert und schließlich von Joel Schumacher verfilmt. Dies ist kurz und bündig die Geschichte hinter "Phone Booth".

Filmplakat

Stu Shepard (Colin Farrell) ist ein New Yorker Medienagent, einer jener jungen Vielverdiener, die sich in schicke Anzüge zwängen, teure Uhren tragen und ununterbrochen telefonieren. Er wird in den ersten Minuten des Films eindringlich dargestellt als einen wenig sympathischen Wichtigtuer, der seine Mitmenschen von oben herab behandelt, anderen das blaue vom Himmel herunterlügt um seine Vorteile daraus zu ziehen und der seine Frau Kelly (Radha Mitchell) hintergeht. Zu diesem Zweck telefoniert er täglich um dieselbe Zeit an der einzigen Telefonzelle weit und breit in der West 53rd Street irgendwo zwischen Broadway und 8th Avenue. Von dort ruft er seine Geliebte Pam (Katie Holmes) an… damit seine Frau durch die Abrechnung seines Handys nicht misstrauisch wird.

So auch an diesem Tag, doch diesmal wird alles anders sein. Nach seinem täglichen Telefonat klingelt das Telefon in der Zelle und er begeht den Fehler abzuheben. Die Stimme am anderen Ende (Kiefer Sutherland, hervorragend) entpuppt sich als jemand, der die Gepflogenheiten von Stu besser zu kennen scheint als ihm lieb ist, so beispielsweise auch, dass er mit seinen Mitmenschen wenig respektvoll umgeht. Warum sich Stu diese Standpauke für die nächsten 60 Minuten anhören wird? Weil derjenige mit einem Scharfschützengewehr irgendwo in den Häuserschluchten hockt und ihn stets im Visier hat.

So entwickelt sich nun ein Psychothriller der besonderen Art. Der Scharfschütze macht keinen Hehl daraus, wie ernst er es meint. Ein Zuhälter, der Stu nach einer Weile belästigt, weil er zu lange die Zelle besetzt, wird kurzerhand erschossen. Dies verkompliziert die sowieso schon ausweglos scheinende Lage zusätzlich, da nun auch noch die Polizei das Spielfeld betritt, unter anderem in Gestalt von Captain Ramey (Forest Whitaker). Natürlich wird angenommen, dass Stu den Zuhälter erschossen hat, da ja sonst niemand weit und breit zu sehen ist und er auch das Motiv hätte. Dass er eigentlich unbewaffnet ist und sich in seiner Jackentasche nur ein Handy befindet, glaubt ihm natürlich niemand. Er darf die Telefonzelle aber auch nicht verlassen, um dies zu beweisen, da sonst der Scharfschütze wenig erfreut sein dürfte.

Was will der Scharfschütze nun eigentlich? Ehrlichkeit… er möchte sprichwörtlich, dass Stu seine Sünden beichtet - und das vor laufenden Fernsehkameras, die natürlich auch schnell am Ort des Geschehens sind.

Wirkt die Handlung konstruiert? Sicherlich, doch daran verliert man beim Schauen des Films kaum einen Gedanken, da er es schafft, tatsächlich die gesamte Spielzeit zu fesseln. Das Psychoduell Farrell - Sutherland wird sehr eindringlich von beiden gespielt. Die Reaktionen wirken realistisch, wenn auch die eigentlichen Motive des Anrufers etwas fadenscheinig wirken. Der Film ähnelt einem Schachbrett, auf dem im Laufe der Zeit die einzelnen Spielfiguren positioniert werden und die Stellung sich immer mehr zuspitzt. Es erscheint wie ein psychologisches Experiment, eine Untersuchung des Verhaltens einer Person in einer Extremsituation: Riskiert Stu sein Leben und das der Leute um die Telefonzelle herum oder gesteht er sich und den anderen, dass das meiste an ihm nur Fassade und er im Grunde genommen nur ein kümmerlicher Nichtsnutz ist?

Zuletzt habe ich ein Psycho-Experiment dieses Ausmaßes in Cube in ähnlich spannender und minimalistischer Inszenierung gesehen. So reiht sich auch "Phone Booth" in die Liste der Filme ein, bei denen man sich besser nicht daran stören sollte, dass der Plot von vorn bis hinten konstruiert ist, sondern man stattdessen das Zusammenspiel der Darsteller beobachten sollte. Ein innovativer und kurzweiliger Thriller.

9 von 10 Punkten